ALWEG in SEATTLE

1961 - 1966


50 Jahre ALWEG SEATTLE









Wer kannte 1962 in Deutschland schon die Stadt Seattle, hoch oben in der nordwestlichsten Ecke der Vereinigten Staaten von Amerika im Bundessstaat Washington gelegen? Sie war bekannt, wenn man sich für Flugzeuge interessierte, denn die Boeing Flugzeugwerke sind dort zu Hause. Doch auch der Name Boeing war seinerzeit noch nicht so berühmt wie heute, denn die legendäre Boeing 707 hatte gerade erst ihren weltweiten Siegeszug begonnen. Auch auf dem kleinen und eher behelfsmäßig wirkenden Flughafen Köln-Wahn waren diese vierstrahligen Passagierjets noch ein viel bestaunter Anblick. Stolz hatte die Lufthansa mit ihren Boeing 707 Maschinen nun auch eine Direktverbindung Köln-New York eingerichtet. Aber kaum jemand wusste, dass diese eleganten Flugzeuge aus einer Stadt namens Seattle stammten. Als die zuständigen Alweg-Ingenieure der Disney Corporation beim Bau ihrer Disney-Alweg Einschienenbahn halfen, waren sie noch mit Lockheeds schnittiger Vier-Propeller-Maschine „Super Constellation“ über den Atlantik geflogen.


 



 

Aber auch in den USA selbst war die Stadt Seattle noch nicht so berühmt wie heute, wo man sie nun wie selbstverständlich in einem Atemzug mit den Namen Boeing und Microsoft nennt und wo sie auch durch Filme und Musik für jedermann ein Begriff geworden ist. Anfang der 1960er Jahre galt Seattle noch als Provinzstadt im verregneten Holzfällerland an der Nordwest-Pazifikküste der USA. Doch das änderte sich schlagartig als 1962 in Seattle die Weltausstellung unter dem Motto „Century 21“ („Das 21. Jahrhundert“) mit dem Schwerpunktthema „Der Mensch im Zeitalter der Raumfahrt“ stattfand. Am 20.2.1962 hatte der Astronaut John Glenn als erster Amerikaner dreimal die Erde umkreist. Seine „Mercury“-Weltraumkapsel war eine der großen Attraktionen der Weltausstellung in Seattle. Präsident John F. Kennedy hatte von seinem Urlaubsdomizil aus per Telefonansprache diese Weltausstellung persönlich eröffnet. Es herrschte Aufbruchstimmung und mit den Segnungen modernster Technologie und Wissenschaft wollte man sich auf das neue Jahrhundert vorbereiten. Auch Computer spielten bei dieser Ausstellung schon eine wichtige Rolle.

 



 

Zu dieser überaus optimistischen Stimmung passten auch die beiden glitzernden ALWEG-Einschienenbahn-Züge, die im pausenlosen Pendelverkehr zwischen dem Stadtzentrum Seattles und dem Weltausstellungsgelände verkehrten.


 


 

Als man in Seattle die Weltausstellung geplant hatte, entschied man sich nicht nur für den Bau eines futuristischen, gut 180 Meter hohen Aussichtturmes, genannt „Space Needle“ („Weltraumnadel“), sondern auch für den Bau eines nicht minder futuristisch wirkenden Verkehrsmittels zur Bewältigung der Besucherströme zum Weltausstellungsgelände. Der Leiter der Ausstellungsgesellschaft war persönlich in Köln-Fühlingen gewesen und war von der ALWEG-Bahn so beeindruckt, dass er den Bau einer solchen Bahn zur Weltausstellung in Seattle empfahl.

Es gab noch andere Bewerber für dieses Projekt, doch ALWEG bot an, den Bau der Bahn selbst zu finanzieren, und gewann damit den Zuschlag für das Projekt. Die beiden Züge wurden von Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter gebaut und per Überseefrachter nach Seattle gebracht. In Seattle selbst dauerte derweil der Bau der 1,6 Kilometer langen, doppelbalkigen ALWEG-Einschienenbahn-Strecke mit zwei Bahnhöfen (der Bahnhof im Ausstellungsgelände war zugleich auch Werkstatt für die Bahn) lediglich zehn Monate. Der Straßenverkehr wurde bei diesem Bau kaum behindert und ALWEG konnte schon im Baustadium bestens die Vorzüge ihres Bahnsystems demonstrieren.

Die Bahn wurde während der Weltausstellung ein voller Erfolg. Beförderte Millionen von Ausstellungsbesuchern und die gesamten Baukosten waren innerhalb kürzester Zeit wieder „eingefahren“ worden. Wie schon in Turin gab es auch in Seattle Hoffnungen, dass die Bahn nach ihrer überzeugenden Vorstellung während der Weltausstellung danach ausgebaut werden würde. Die Bevölkerung hatte die Einschienenbahn schon positiv als „unsere Monorail“ akzeptiert, die bis zum heutigen Tag zusammen mit der „Space Needle“ eine der Attraktionen der Stadt geblieben ist. Doch die Regionalpolitiker und Stadtverwalter können sich bis heute nicht zu einem Ausbau der Bahn durchringen und lassen lieber ein weitaus aufwendigeres herkömmliches Zweischienensystem bauen. Engagierte Bürgerinitiativen dagegen plädierten vehement für den Ausbau der Einschienenbahn, doch die Stadtverwaltung überstimmte ihre eigenen Bürger.


 


 

Im Jahre 1963 hatte es eine Weile so ausgesehen, als ob niemand der zuständigen Entscheidungsträger die ALWEG-Bahn übernehmen wollte. Vertraglich gesehen hätte dann ALWEGs amerikanisches Tochterunternehmen (Wegematic) den Abbau der Strecke finanzieren müssen. Die Firma, die, ohne Aufträge für neue ALWEG-Bahnen, finanziell schon in Schwierigkeiten war, entschied sich, um die Abbaukosten zu vermeiden, die Seattle ALWEG-Bahn ganz einfach der Stadt zu schenken! Bis 1966 unterhielt Wegematic ihr ALWEG-Büro in Seattle, - immer in der Hoffnung mit der Seattle-Strecke als positives Demonstrationsbeispiel neue Auftraggeber zu finden. Es gab Interessenten und Projekte, doch letztendlich setzte sich immer wieder die Zweischienenkonkurrenz durch.

 



 

Schon 1963 hatte Wegematic Probleme, die Gehälter ihrer Mitarbeiter in Seattle zu bezahlen. Dr. Axel Wenner-Gren war 1961 gestorben und seinen Nachlaßverwaltern mangelte es an visionärer Geduld für Projekte, die nicht sofort zuverlässig Profit abwarfen. In Deutschland hatte die Firma Krupp die ALWEG GmbH übernommen. Doch als auch sie keine Zukunft mehr für die ALWEG-Vision sah, wurde die Firma aufgelöst. Krupp bot Alweg-Mitarbeitern die Möglichkeit, in ihrem Konzern in Essen in anderen Firmenbereichen weiterzuarbeiten. In Seattle blieben schließlich nur noch zwei deutsche Alweg-Veteranen als einzige Wegematic-Mitarbeiter übrig. Statt das auch an sie ergangene Angebot von Krupp anzunehmen, versuchten sie, ohne regelmäßiges Gehalt, die ALWEG-Vision zu retten. Zudem war es für sie vom Alter und von ihre Spezialisierung her fast unmöglich, in Amerika neue Arbeitsstellen zu finden. Wegematic dankte den beiden Veteranen ihr Engagement nicht und die Nachzahlung ausstehender Gehälter mußte schließlich über Rechtsanwälte geregelt werden. Dank alter Beziehungen fanden beide Alweg-Veteranen vorrübergehend Arbeit bei einem Büro für Nahverkehrsprojekte an der Ostküste Amerikas. Doch Ende der 1960er Jahre war der wirtschaftliche und technologieorientierte Optimismus, der noch während der Weltausstellung in Seattle geherrscht hatte, verflogen und auch an der Ostküste gab es bald keine Arbeit mehr für altgediente ALWEG-Spezialisten ... 




Mit einem kurzen Werbefilm von 1962 können Sie eine nostalgische Fahrt in der Alweg Monorail vom Zentrum Seattles zum Weltausstellungsgelände erleben:
http://www.archive.org/details/Century21964

Die interessante Geschichte der Seattle Alweg-Bahn und des EMP

Seattle Alweg-Bahn
1966 - Heute

Die offizielle Webseite des heutigen Betreibers der Seattle Alweg-Bahn
Seattle Center Monorail




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